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Samstag, 14. September 2013

Prozesskostenverteilung in der Jahresabrechnung

Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt oder einzelne Eigentümer einen Gerichtsprozess verloren haben, stellt sich zumeist im Folgejahr die Frage, wie die Prozesskosten im Rahmen der Jahresabrechnung zu verteilen sind. Insbesondere wenn die obsiegenden Eigentümer über die Jahresabrechnung an den Kosten des Verfahrens beteiligt werden sollen, ist neuer Streit vorprogrammiert. Leider scheinen viele WEG-Verwalter mit der Verbuchung von Prozesskosten und deren Verteilung in der Jahresabrechnung überfordert zu sein. Dabei hat hierzu bereits im Jahre 2007 der Bundesgerichtshof die Jahrzehnte alte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bestätigt.
Grundsätzlich sind zwei Arten von gerichtlichen Verfahren der WEG zu unterscheiden:
1.       Gemeinschaft hat ein Verfahren als „WEG“ also als Verband geführt, der Gegner war z.B. ein Dritter (Handwerksfirma, Verwalter u.s.w.).
2.       Die Eigentümer streiten untereinander (Binnenrechtstreit, z.B. eine Anfechtungsklage)
Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.3.2007 (- V ZB 1/06 - NZM 2007, 358) klar gestellt hat, müssen die Kosten eines Rechtsstreits stets so verteilt werden, wie das Gericht es im Urteil oder Beschluss angeordnet hat respektive entsprechend der vereinbarten Kostenquote in einem Vergleich (OLG Köln vom 22.08.2008, Az:16 Wx 228/07, ZMR 2009, 311); dort festgestellte Kostenquoten sind grundsätzlich vorrangig gegenüber dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel, der sich auch § 16 Abs.2 WEG oder der Teilungserklärung ergibt.
Wenn die WEG insgesamt den Prozess geführt hat dann ist sie selber Kläger oder Beklagte und nicht die einzelnen Eigentümer. In diesem Fall werden die Kosten entsprechend § 16 Ans.2 WEG respektive der allgemeinen Anweisung in der Teilungserklärung verteilt. Darunter fallen alle Streitigkeiten mit Dritten, an denen die Eigentümergemeinschaft selbst oder sämtliche Wohnungseigentümer gemeinsam und mit gleichem Ziel beteiligt sind aber auch Streitigkeiten zur Verfolgung von gemeinschaftlichen Hausgeld- oder Schadensersatzansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer. Letztere betreffen zwar das Innenverhältnis der Eigentümergemeinschaft, fallen aber in den Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung (so ausdrücklich BGH vom 15.3.2007 - V ZB 1/06 - NZM 2007, 358). Hierher gehören auch Rechtsstreite gegen den (ehemaligen) Verwalter oder Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG.
Wenn die Eigentümer in einem Binnenrechtsstreit aber untereinander streiten und einige Eigentümer gewinnen während andere verlieren, dann dürfen nur die Verlierer mit den Kosten des Rechtsstreits in der Jahresabrechnung belastet werden. Ausdrücklich fordert der Bundesgerichtshof, dass Konflikte innerhalb der Eigentümergemeinschaft nie auf Kosten aller Wohnungseigentümer ausgetragen werden dürfen (BGH vom 15.3.2007 - V ZB 1/06 - NZM 2007, 358). Nach gerichtlichen Kostenregelung im Urteil haben die Kosten des Verfahrens entweder genau benannte Eigentümer zu tragen oder aber die „übrigen Eigentümer der WEG mit Ausnahme des Klägers“. Diese Kostenregelung betrifft zwar in erster Linie  die Erstattungspflicht im Prozessrechtsverhältnis der beteiligten Streitparteien und nicht die Kostenverteilung im Innenverhältnis der Eigentümergemeinschaft. Soweit allerdings – durch das Gericht eine Kostenerstattung zugunsten einzelner Wohnungseigentümer bestimmt wird, ist diese Entscheidung bzw. Regelung auch für das Innenverhältnis der Eigentümergemeinschaft maßgebend. Die gerichtliche Kostenentscheidung oder eine Prozessparteien im Vergleichswege getroffene Kostenregelung hat deshalb immer Vorrang. Die Kosten eines Verfahrens dürfen nur auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden, die nach der gerichtlichen Regelung Kostenregelung zu tragen haben (BGH vom 15.3.2007, Az: V ZB 1/06, NZM 2007, 358 ff).
Insbesondere wenn der Verwalter im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis nach §27 Abs.2 Nr. 2 WEG einen Rechtsanwalt für die Beklagten Eigentümer eines Anfechtungsprozesses mandatiert (vergl. LG Karlsruhe vom 7.8.2012 - 11 S 180/11 – ZMR 2013, 376) und aus dem Gemeinschaftsvermögen bezahlt, stellt sich die Frage, wie diese Kosten in der Jahresabrechnung zu verbuchen und zu verteilen sind. Nach dem OLG Köln (vom 22.08.2008 - Az:16 Wx 228/07 - ZMR 2009, 311) sind diese Kosten in die Jahresabrechnung und die jeweiligen Einzelabrechnungen einzustellen sind; die Verfahrenskosten dürfen in den Einzelabrechnung jedoch nicht nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel umgelegt werden, sondern nur mit einem besonderen Verteilungsschlüssel, der der gerichtlichen Kostenentscheidung entspricht. Wer den Rechtsstreit gewonnen hat und deshalb keine Kosten zu tragen hat, darf auch in der Einzelabrechnung nicht mit Kosten des Rechtsstreits belastet werden.

Muss der Bauträger/Verkäufer dem Erwerber Pläne und Bauunterlagen übergeben?

Der Erwerber einer Eigentumswohnung, insbesondere wenn diese erst auf Grund eines Bauträgervertrages errichtet wurde, meint zumeist auch einen Anspruch auf Herausgabe der Bauunterlagen erworben zu haben. Oftmals weigert sich der Verkäufer jedoch oft z.B. die Gebäudepläne, Ausführungspläne technischer Anlagen, Baugenehmigung, technische Dokumentationen oder Wartungsanweisungen seinem Kunden auszuhändigen. Nach der aktuellen Rechtsprechung sind ohne eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung Verkäufer oder Bauträger nur selten dazu verpflichtet.
Nach der heute herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, besteht kein allgemeiner Anspruch auf Herausgabe der Projektunterlagen, weder bei einem Bauträgervertrag über eine Immobilie noch beim Kauf einer Eigentumswohnung. Grundsätzlich ist der Bauträger oder der Verkäufer nur verpflichtet, dem Erwerber solche Unterlagen zu übergeben, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Fehlt eine solche Vereinbarung, so können Pläne und technische Dokumentationen nur dann erfolgreich eingefordert werden, wenn ein besonderes, konkret begründetes rechtliches Interesse des Erwerbers besteht (OLG München vom 15.10.1991 – 9 U 2958/91 - BauR 1992,95; OLG Frankfurt vom 26.10.2006 - 26 U 2/06 - NJW-RR 2007, 817). Dies ist für den Fall anerkannt, wenn er zur Beseitigung von Mängeln am Gebäude, zur Wartung technischer Anlagen oder zur Durchführung von Umbauten auf bestimmte Pläne oder sonstige Dokumentationen angewiesen ist. Ohne die Unterlagen muss eine erforderliche Instandsetzung oder ein unmittelbar bevorstehender Umbau erheblich erschwert sein (LG Krefeld vom 11.12.2008 - 2 O 56/08, BauR 2009, 860). Daher begründen theoretischen Möglichkeiten zukünftiger Instandsetzungen am Objekt oder Erleichterungen bei der Verwaltung der Immobilie allein kein berechtigtes Interesse, selbst wenn das Fehlen der Unterlagen für den Eigentümer in einem zukünftigen Schadensfall erhöhte Kosten bedeuten würde oder nach Ablauf der Gewährleistungsfrist überhaupt nicht mehr durchsetzbar wäre (LG München I vom 2.3.2007 - 2 O 23839/06 - BauR 2007, 1431).

Die Rechtsprechung begründet ihre Auffassung mit dem Argument, dass mangels vertraglicher Vereinbarungen zur Übergabe der Projektunterlagen, deren Herausgabe nur als vertragliche Nebenpflicht des Bauträgers oder des Verkäufers nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in Betracht käme. Danach ist aber eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG München, a.a.O.), da ohne ein besonderes, konkret begründetes Interesse des Erwerbers, der Bauträger oder Verkäufer bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist unabsehbaren Auskunfts- und Bereithaltungspflichten ausgesetzt wäre (LG München I, a.a.O.). Beschränkt ist die Herausgabepflicht jedoch auf Unterlagen, die aktuell im Besitz des Vertragspartners stehen (OLG Frankfurt, a.a.O. ; OLG Köln Urteil vom 23.02.2005 - 11 U 76/04). Sofern dem Bauträger oder Verkäufer kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, muss er keine Unterlagen nachfertigen.
Eine Herausgabepflicht des Veräußerers auch ohne konkreten Bedarf des Erwerbers sieht die Rechtsprechung jedoch für öffentlich-rechtlich vorgeschriebene Nachweisunterlagen, wie z.B. den Energieausweis eines Gebäudes oder technische Dokumentationen zum Nachweis der Betriebssicherheit oder zur Durchführung erforderlicher Wartungen. Dazu gehören z.B. Revisionspläne hinsichtlich der Wasser- und Abwasserleitungsführung und der Heizungsinstallation, weil diese Unterlagen für den laufenden Betrieb und die Wartung dieser Anlagen benötigt werden (OLG Frankfurt, a.a.O. ; OLG Köln Urteil vom 23.02.2005 - 11 U 76/04). Eine Herausgabepflicht von technischen Dokumentationen kann sich auch aus der  DIN 18382 Abs.3.1.6 ergeben, wonach hat der Auftragnehmer alle für den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Anlage erforderlichen Bedienungs- und Wartungsanleitungen und notwendigen Bestandspläne zu fertigen und dem Auftraggeber auszuhändigen hat. Auch nach DIN VDE 0100-610 muss jede elektrische Großanlage geprüft werden, bevor sie vom Benutzer in Betrieb genommen wird, wobei ein Prüfprotokoll erstellt werden muss. Dies gilt jedoch nicht für Altanlagen. Da die DIN- und VDE-Normen Bestandteil der allgemein anerkannten Regeln der Technik sind und Allgemeingültigkeit besitzen, besteht eine ggf. dort geregelte Herausgabepflicht des Bauträger insoweit auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung mit dem Auftraggeber. Dagegen sind statische Nachweise im Sinne von DIN 18332 zwar durch Auftragnehmer gegenüber der Baubehörde zu erbringen, aber deren Dokumentation z.B. durch Zeichnungen stellt eine Besondere Leistung dar, die vom Auftraggeber besonders zu vergüten ist. Fehlt es an einer entsprechenden Sondervergütungsvereinbarung muss der Bauträger diese Dokumentationen auch nicht herausgeben; eine Herausgabepflicht des Bauträgers hinsichtlich der Baupläne ergibt sich i.d.R. auch nicht aus den Landesbauordnungen (OLG Frankfurt, a.a.O.).
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der Bauunterlagen eine Vereinbarung oder einen konkreten Bedarf voraussetzt hat die Rechtsprechung jedoch anerkannt: War der Bauträger zugleich Verwalter des von ihm errichteten Gebäudes nach den Wohnungseigentumsgesetz, hat die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Anspruch auf Überlassung aller Projektunterlagen aus seinem Besitz (BayObLG vom 23.3.2001 - 2Z BR 6/01 - DRsp Nr. 2001/7849). Anspruchsgrundlage hierfür ist aber nicht der Erwerbsvertrag, sondern der Verwaltervertrag. Nach Beendigung der Verwaltertätigkeit haben die Wohnungseigentümer gegen den Verwalter gem. §§ 675, 667 BGB einen Anspruch auf Herausgabe aller Unterlagen, die dieser auf Grund seiner Verwaltertätigkeit erlangt hat (BayObLG, NJWE-MietR 1997, 14/ WuM 1996, 661). Dazu gehören alle Papiere, die er anlässlich der Geschäftsbesorgung für die Wohnungseigentümer erlangt hat, insbesondere die Bauunterlagen, da diese für Gewährleistungs- und sonstige Ansprüche gegenüber den am Bau Beteiligten von Bedeutung sind (OLG Hamm, NJW-RR 1988, 268. BayObLG - 2 Z BR 6/01, NZM 2001, 469). Anders als der Bauträger ist der ehemalige Verwalter i.d.R. zur Ersatzbeschaffung verpflichtet, falls ihm Unterlagen abhanden gekommen sind (OLG Hamm - 15 W 41/07, NZM 2008, 850 und - 15 W 181/06 – ZMR 2007, 982; Niedenführ in Kümmel/Niedenführ/Vandenhouten, 10. Aufl., § 26 WEG, Rn 130). Dagegen ist der Verwalter eines Hauses, der nicht zugleich Bauträger war, nicht verpflichtet, die Projektunterlagen ungefragt zu beschaffen; im Gegenteil müssen die Eigentümer dem Verwalter die zur Verwaltung benötigten Unterlagen zur Verfügung stellen.
Praxistipp:
In Anbetracht der aktuellen Rechtsprechung, sollte jeder Erwerber einer Immobilie auf eine ausdrückliche Regelung im Notarvertrag bestehen, dass der Verkäufer resp. der Bauträger einen vollständigen Satz aller Bauunterlagen auszuhändigen hat. Ist keine vertragliche Regelung vorhanden so besteht eine entsprechende Verpflichtung des Vertragspartners nur, wenn wegen akutem Instandsetzungsbedarf oder einem konkreten Umbauvorhaben der Eigentümer auf die Pläne angewiesen ist. Mit dem Ablauf der vertraglichen Gewährleistungsfrist – zumeist fünf Jahre bei Neubauten – ist der Anspruch jedoch ausgeschlossen. Bereits bei der Gestaltung der Verträge sollte darauf geachtet werden, dass die dem Erwerber auszuhändigenden Unterlagen im Vertrag so genau wie möglich bezeichnet werden.