Selbst nutzende Eigentümer
erhalten oftmals die Möglichkeit eine benachbarte Eigentumswohnung zu erwerben.
Um aus den zwei baulich getrennten – abgeschlossenen - Einheiten eine
einheitliche Wohnung zu schaffen, sind Wand- oder Deckendurchbrüche erforderlich.
Hausverwalter und die anderen Eigentümer lehnen solche Maßnahmen oft ab; dabei
werden folgende Argumente üblicherweise angeführt:
- Die Teilungserklärung werde dadurch falsch, da die dort geregelte Abgeschlossenheit der Wohnungen aufgehoben wird.
- Erhöhter Lärm durch intensivere Nutzung der Räume.
- Befürchtung von nachteiligen Auswirkungen des Durchbruchs auf die Statik des Gebäudes und dessen Brandsicherheit.
Bereits mehrfach hatte
sich die Rechtsprechung mit diesen Themen zu beschäftigen. In diesen Klageverfahren
forderten zumeist einige Eigentümer das Wiederverschließen eines eigenmächtig
erstellten Durchbruchs. In allen Verfahren hatten die Gerichte die Frage zu
beantworten, ob ein Wand- oder Deckendurchbruch für die benachbarten Eigentümer
ein über das unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1
WEG darstellt, oder als zustimmungspflichtige bauliche Veränderung gemäß § 22
Abs.1 WEG anzusehen ist. Nach vorangegangener divergierender Rechtsprechung der
Land- und Oberlandesgerichte (z.B.
KG Berlin, 17.02.1993 - 24 W 3563/92 - WuM 1993, 292; OLG
Zweibrücken vom 15.10.1999 - 3 W 149/99 - ZMR 2000, 254, sind die wesentlichen
Fragen durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2000 (Az: V ZB 45/00,
ZMR 2001, 289) ausentschieden worden. Dabei stellte der Bundesgerichtshof fest,
dass nicht jede Veränderung des Gemeinschaftseigentums unzulässig ist; dies
kommt erst in Betracht, wenn Veränderung als „nicht
hinzunehmende Nachteile im Sinne von §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG“ anzusehen
und die anderen Eigentümer dadurch besonders betroffen sind. Veränderungen sind erst dann nicht
hinzunehmen, wenn sie bei objektiver Betrachtung konkrete und nicht ganz
unerhebliche Beeinträchtigung darstellen. Entscheidend ist, ob sich ein
Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt
fühlen kann (siehe auch: BGH vom 19.12.1991 - V ZB 27/90 - BGHZ 116, 392 (396),
NJW 1992, 978).
Verstoß gegen die
Abgeschlossenheitsregeln der Teilungserklärung:
In seinem Urteil vom 21.12.2000
stellt der Bundesgerichtshof (Az: V ZB 45/00, ZMR 2001, 289) klar, dass durch
einen Wanddurchbruch zwischen zwei angrenzenden Sondereigentumseinheiten die
Abgeschlossenheit der Wohnungen im Sinne von § 3 Abs. 2 WEG entfällt, dies aber
mit keinem Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer verbunden ist. Zum einen
lässt die nachträgliche Aufhebung der Abgeschlossenheit den Bestand und den
Umfang des in der Teilungserklärung ausgestalteten Wohnungseigentums unberührt
und führt nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs. Zum anderen ist § 3 Abs. 2
WEG nur als Sollvorschrift ausgestaltet und nur auf den Schutz derjenigen
Wohnungseigentümer gerichtet, deren Wohneinheiten durch die fehlende oder
weggefallene Trennung beeinträchtigt werden. Wenn sich jedoch beide Wohnungen
in der selben Hand befinden, scheidet eine Beeinträchtigung der übrigen
Wohnungseigentümer aus.
Nachteile durch
intensivere Nutzung:
Der Bundesgerichtshof (Az: V ZB 45/00, ZMR 2001, 289) hält es für möglich, dass ein nicht zu duldender
Nachteil für die übrigen Eigentümer sich einer intensiveren Benutzung der
vergrößerten Räumlichkeiten ergeben könnte. Allein auf Grund der Veränderung
von Anzahl und Größe der in der Anlage vorhandenen Wohnungen besteht eine
solche Gefahr jedoch nicht. Erforderlich
seien konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch Verbindung der Wohnungen eine
erheblich vermehrte und störendere Nutzung der Räumlichkeiten erfolgt. Allein durch
einen Wanddurchbruch ist dies nicht gegeben, im
Gegenteil entfällt die sonst zulässige Benutzung des Treppenhauses, um von einer Wohnung in die
andere zu gelangen.
Dagegen können nicht mehr hinnehmbare Nachteile durch
eine konkret bevorstehende intensive
gewerbliche Nutzung entstehen, zumindest wenn die konkret zu erwartenden Einwirkungen
auf das Gemeinschaftseigentum im Allgemeinen oder andere Wohnungen im
Besonderen deutlich über dem Maß einer normalen Wohnungsnutzung liegen (OLG
Köln vom 27.06.2005 - 16 Wx 58/05 - NZM 2005, 785). Zu beachten ist jedoch,
dass in solchen Fällen nicht der Wanddurchbruch die Ursache der nachteiligen
Veränderung ist, sondern die vom Eigentümer angestrebte neue Nutzung der
Wohnung. Daher beurteilt sich diese Frage nach den von der Rechtsprechung
entwickelten Kriterien der Nutzungsänderung. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. Januar
2010 (Az: V ZR 72/09, ZMR 2010, 378) klarstellte, ist ein Wohnungseigentümer im
Allgemeinen nicht verpflichtet, die Wohnung ausschließlich zu Wohnzwecken zu
nutzen. Aus Art.14 GG i.V.m. § 13 Abs.1 WEG folgt das Recht, die Wohnung auch
zu anderen Zwecken zu nutzen. So wurde
es von der Rechtsprechung als zulässig angesehen, die Eigentumswohnung als Ingenieurbüro (OLG Zweibrücken vom 27.05.1997
- 3 W 81/97 - ZMR 1997, 482) oder als Patentanwaltskanzlei (OLG Köln vom
15.02.2002 - 16 Wx 232/01 - ZMR 2002, 380) oder als Ferienwohnung (BGH vom 15.
Januar 2010 - Az: V ZR 72/09, ZMR 2010, 378) zu nutzen, da im Allgemeinen von
diesen Nutzungen keine höheren Störungen ausgehen, als bei einer normalen
Wohnnutzung. Bei Auswertung der Entscheidungsgründe der hierzu ergangenen
Urteile werden zumindest solche Nutzungen allgemein zulässig sein, die keine
höheren Immissionen als eine mehrköpfige Familie verursachen (vergl. OLG Köln
vom 15.02.2002 - 16 Wx 232/01 - ZMR 2002, 380). Die Grenze ist dort zu ziehen,
wo durch die abweichende Nutzung
Beeinträchtigungen auftreten, die signifikant höher sind als bei einer
Wohnnutzung (BGH vom 15. Januar 2010 - Az: V ZR 72/09, ZMR 2010, 378). Das OLG
Frankfurt konkretisierte in seinem Urteil vom 21.07.2005 (Az: 20 W 284/03, NZM 2006, 144)
diese Voraussetzungen: Ob eine gewerbliche Nutzung störender sei, als eine
reine Wohnnutzung sei allein im Rahmen einer typisierenden bzw.
generalisierenden Betrachtung zu entscheiden: Maßgeblich sei der Gebrauch nach seiner Art und Durchführung und
die danach zu erwartende Besucherfrequenz bzw. Mitarbeiterzahl sowie die
örtlichen (Umfeld und Lage im Gebäude) und zeitlichen (z.B. Öffnungszeiten)
Verhältnisse zu beziehen. Sind dagegen
die typischer Weise zu erwartenden Immissionen erheblich stärker, als bei einer
Wohnnutzung, darf dem dies beantragenden Eigentümer eine gewerbliche Nutzung
nicht aus wichtigem Grund versagt werden. Wenn jedoch eine gewerbliche Nutzung bereits nach der
Teilungserklärung allgemein zulässig ist, oder über eine solche Nutzung bereits
ein bestandskräftiger Beschluss gefasst wurde (so ausdrücklich BGH vom 21.12.2000
- V ZB 45/00
- ZMR 2001, 289), können sich die anderen Eigentümer nicht einmal die Versagung
auf einen wichtigen Grund stützen.
Nachteilige bautechnische Einwirkungen:
Die größte Praxisrelevanz haben jedoch durch einen Durchbruch
in einer tragenden Wand hervorgerufene nachteilige bautechnische Auswirkungen
auf das Gemeinschaftseigentum. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
kann ein Nachteil der anderen Wohnungseigentümer im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG
erst dann ausgeschlossen werden, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht,
dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums
unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr
für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit
geschaffen wurde (BGH v. 21.12.2000 - V ZB 45/00 - ZMR 2001, 289; BGH v.19.12.1991 - V ZB 27/90 - ZMR 1992, 167). Auch Belange
des Schallschutzes können solche negativen Auswirkungen darstellen (OLG München
v.10.04.2006 - 34 Wx 21/06 - ZMR 2006, 643). Wenn aber der die Veränderung
betreibende Wohnungseigentümer durch ein statisches Gutachten und ein
Brandschutzgutachten nachweist, dass der Durchbruch nicht zu einer Gefährdung
des Gemeinschaftseigentums führt, und widerspricht die Wohnungsverbindung auch
nicht dem Baurecht oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so
bedarf das Durchbruchsvorhaben der Zustimmung der anderen Eigentümer nicht (BGH.
21.12.2000 - V
ZB 45/00 - ZMR 2001). Dies gilt jedoch nicht, wenn der äußere Eindruck des
Gebäudes verändert wird, oder die Gefahr zukünftiger Mehrkosten und/oder
Schäden konkret besteht (OLG Celle, 21.05.2002 - 4 W 93/02 - ZWE 2002, 533).
Betrifft der Mauerdurchbruch eine nicht
tragenden Wand, bestehen seitens der übrigen Wohnungseigentümern keine beachtlichen
Einwände. Nichttragende Wände sind grundsätzlich dem Sondereigentum
zuzurechnen, sodass sich daraus bereits eine sehr weit gehenden
Alleinverfügungsbefugnis des betreffenden Eigentümers ergibt. Insbesondere sind
bei einer nicht tragenden Wand keine Beeinträchtigung der Gebäudestatik oder
sonstige Nachteile ernsthaft zu befürchten (BGH vom 21.12.2000 - V ZB 45/00 - ZMR 2001, 289).
Fazit:
Die recht großzügige Handhabung der Zulässigkeit von
Mauerwerksdurchbrüchen zur Zusammenlegung von zwei Eigentumswohnungen sollte
nicht zu voreiligen Handlungen verleiten. Grundsätzlich ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums eine
bauliche Veränderung worunter auch Eingriffe in das Mauerwerk zählen. Soweit bauliche
Maßnahmen nicht gänzlich unerheblich sind (wie das Versenken eines Dübels),
sind diese zustimmungsbedürftig nach Maßgabe des § 22 WEG. Auf die Zustimmung der
anderen WEG-Eigentümer kann aber nur dann verzichtet werden, wenn der
Durchbruch keine optischen, finanziellen oder technische Auswirkungen hat, die
ohne die Wohnungsverbindung nicht eintreten würden (OLG Celle, 21.05.2002 - 4 W
93/02 - ZWE 2002, 533). Haben die betroffenen anderen Eigentümer jedoch die
Zustimmung erteilt, kann sie nicht mehr widerrufen werden, auch die Erwerber
der Wohnung sind an eine einmal erteilte Zustimmung gebunden (OLG München v.30.03.2007
- 34 Wx 132/06 - ZWE 2007, 318).