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Montag, 25. März 2013

Wann haftet der Erbe für Gemeinschaftsschulden des verstorbenen Wohnungseigentümers?

Der Erbe, der das Wohnungseigentum erbt, hat gemäß § 1922 BGB auch alle daraus entstehenden Verbindlichkeiten zu tragen. Immer öfter stellt sich jedoch heraus, dass der Nachlass einschließlich der Wohnung überschuldet ist. Dann kann der Erbe seine Haftung für offene Wohngelder, Sonderumlagen und Abrechnungsspitzen aus Wohngeldabrechnungen, auf das Erbe beschränken, was bedeutet, dass die WEG leer ausgehen kann. Hiergehen bestehen zugunsten der WEG jedoch Handlungsmöglichkeiten.
Bereits im Jahre 1999 entschied das Bayrische Oberste Landesgericht (07.10.1999 - 2Z BR 73/99 - NJW-RR 2000, 306), das Wohngeldschulden, die aus der Verwaltung der Eigentums-wohnung und des gemeinschaftlichen Eigentums herrühren, aber auch nach dem Erbfall gefasste Eigentümerbeschlüsse, die Abrechnungsperioden aus den Lebzeiten des Erblassers betreffen, als Nachlassverbindlichkeiten gelten. Diese Rechtsprechung wurde vom Bundegerichtshof in seinem Urteil vom 23. Januar 2013 (Az. VIII ZR 68/12, GE 2013, 347) sinngemäß bestätigt. Der BGH entschied in dem vorgenannten Urteil, dass ein Erbe für Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1922 in vollem Umfang haftet. Der Erbe kann jedoch selbst nach Ablauf der Erbausschlagungsfrist die sog. Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB erheben. Dies ist stets möglich, wenn das Nachlassvermögen noch nicht einmal für die Kosten der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder der Eröffnung eines Nachlassinsolvenz-verfahrens ausreicht. In diesen Fällen tritt keine persönliche Erbenhaftung ein.
Der Erbe ist jedoch auch nach dieser Rechtsprechung nicht von jeglicher persönlicher Inanspruchnahme der Gemeinschaft ausgeschlossen; er haftet der WEG weiterhin für die sog. Nachlasserbenschulden. Darunter versteht man solche Verbindlichkeiten, die durch den des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses entstehen und die deshalb auch Eigenverbindlich-keiten des Erben sind (vergl. BGH vom 31.01.1990 - IV ZR 326/88 -NJW 1990, 1237). Haften muss der Erbe des Wohnungseigentümers grundsätzlich nur, wenn er sich entschlossen hat, die Wohnung zu behalten (BayObLG vom 07.10.1999 - 2Z BR 73/99 - NJW-RR 2000, 306) oder wenn die Ansprüche gerade aus der eigenen Nutzung durch den Erben resultieren.
Für alle anderen Ansprüche muss es nunmehr als entschieden gelten, dass der Erbe sich auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen darf, mit der Folge, dass die Gemeinschaft leer ausgeht was sogar vom Erben gezielt gesteuert werden kann. Gemäß § 1990 Abs.1 BGB kann der Erbe die Befriedigung eines Gläubigers verweigern, wenn die Nachlassaktiva so geringwertig sind, dass die Kosten einer Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenz-verfahrens nicht gedeckt sind (vgl. Palandt/Edenhofer, § 1990 BGB, Rn 2).  Die pragmatischste Lösung für den Erben ist, dass er kurzfristig nach dem Erbfall den Nachlass von allen Wertsachen „befreit“ und sich sodann auf die Unzulänglichkeitseinrede gemäß beruft. Es mutet befremdlich an, aber dazu ist der Erbe als Eigentümer des Nachlasses berechtigt; insbesondere weil der für die Feststellung der Dürftigkeit maßgebliche Zeitpunkt die Geltend-machung der Einrede ist, nicht der Zeitpunkt des Erbfalls (vergl. BGH vom 9.2.2011 - IV ZR 228/08 – ZVE 2011, 189). Der Erbe ist sogar ganz legal berechtigt, sich ersatzfähige Aufwendungen nach § 1978 Abs.3 BGB aus dem Nachlass zu entnehmen und sich vorrangig zu berücksichtigen (BGH vom 10.11.1982 – IVa ZR 29/81 - NJW 1983, 1485; Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S.387). Die Rechtsprechung akzeptiert sogar das Ergebnis, dass der Erbe durch seine Selbstbegünstigung die Dürftigkeit des Nachlasses überhaupt herbeiführt (LG Düsseldorf vom 06.10.2008 - 15 O 314/06 – Rechtsprechungs-datenbank NRW). Selbst an die Gemeinschaft durch den Erben gezahlte Wohngelder darf der Erbe sich durch Verrechnung mit Nachlassaktiva wieder gutschreiben (BayObLG vom 07.10.1999 - 2Z BR 73/99 - NJW-RR 2000, 306).  Steht die Dürftigkeit des Nachlasses fest, weist das Gericht die Klage der Gemeinschaft gegen den Erben ab (BGH vom 23. 11.2013 - VIII ZR 68/12 - GE 2013,347).
Soweit die Gemeinschaft oder deren Verwaltung rechtzeitig Kenntnis davon erlangt, dass der Erbe dabei ist, den Nachlass zu schmälern, kommt die gerichtliche Beantragung einer Nachlassverwaltung in Betracht. Voraussetzung dafür ist eine Gefährdung des Nachlasses, die bereits dann vorliegen kann, wenn sich das Verhalten der Erben unmittelbar oder mittelbar mindernd auf den Nachlassbestand auswirkt, insbesondere eine unwirtschaftliche Vermögens-verwaltung vorliegt (KG vom 28.09.2004 - 1 W 99/04 - NJW-RR 2005, 378).
Selbst wenn der Erbe sich auf die Dürftigkeit des Nachlasses beruft, ist die WEG nicht  völlig schutzlos. Zum einen kann er den Erben auf Schadensersatz in Anspruch nehmen und zum anderen eine unbegrenzte Haftung des Erben herbeiführen.
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der gemäß §§ 1991, 1978 BGB beschränkt haftende Erbe zu persönlichen Zwecken entnommene Gelder gemäß § 667 BGB ohne Rücksicht auf Verschulden zu ersetzen und herauszugeben (BGH vom 02.07.1992 - IX ZR 256/91 - NJW 1992, 2694).           
Gemäß § 1994 ff. BGB ist es möglich, dass der Erbe unbeschränkt haftet. Voraussetzung ist dafür, dass die Gemeinschaft (nicht ein einzelner Eigentümer) beim zuständigen Nachlass-gericht (abweichende Zuständigkeitsregelungen in verschiedenen Bundesländern) beantragt, dem Erben eine Frist zur Errichtung eines Nachlassverzeichnisses (Inventar) zu setzen. Die WEG muss dazu ihre eigenen Ansprüche gegenüber dem Nachlassgericht glaubhaft machen. Legt der Erbe kein Inventar vor, oder kann nachgewiesen werden, dass dieses vorsätzlich unvollständig ist, so haftet der Erbe gemäß § 1994, 2005 BGB unbeschränkt. Der Antrag auf Errichtung des Inventars ist selbst dann noch zulässig, wenn sich der Erbe auf bereits auf die Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB berufen hat (BGH vom 02.07.1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694). Bestehen Zweifel an der Richtigkeit des Inventars, kann das Gericht dessen Bestätigung durch eine Eidesstattliche Versicherung des Erben anordnen. Verweigert der Erbe dies, so haftet er auch dann unbeschränkt.
In Anbetracht der für die Gemeinschaft sehr nachteiligen Rechtslage ist schnelles Handeln erforderlich, wenn sich Anzeichen ergeben, dass die Erben des Eigentümers den Nachlass verringern. Die dafür erforderlichen gerichtlichen Verfahren sind von Laien fast gar nicht und selbst von kompetenten Hausverwaltungen kaum zu bewältigen, sodass sich die rechtzeitige Einschaltung eines Anwaltes empfiehlt.

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