Gemäß § 22 Abs.1 WEG bedarf es grundsätzlich der Zustimmung der betroffenen Eigentümer, wenn das Gemeinschafteigentum verändert werden soll. Eine anfechtungsfeste Beschlussfassung der Gemeinschaft gegen den Willen der betroffenen Eigentümer, ist im Allgemeinen nur möglich, wenn die besonderen Voraussetzungen von § 22 Abs.2 oder Abs.3 WEG gegeben sind, d.h. wenn die Baumaßnahme als Modernisierende Instandsetzung oder Modernisierung zu qualifizieren ist. Dann muss ein betroffener Eigentümer sich der Mehrheitsmacht beugen und die Veränderung des Gemeinschaftseigentums hinnehmen.
Das Gesetz beschreibt die Modernisierung in § 22 Abs.2 als „…Maßnahmen…die der Modernisierung entsprechend § 559 Abs.1 BGB oder der Anpassung des gemein-schaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen.“ Eine gesetzliche Definition der Modernisierung im Rahmen der Modernisierenden Instandsetzung fehlt, jedoch ergibt sich aus der Begründung des Gesetzgebers, dass der Begriff in den Absätzen 2 und 3 inhaltsgleich ist.[1] Insoweit kann zu seiner Bestimmung grundsätzlich auch die Rechtsprechung zur Modernisierenden Instandsetzung vor der WEG-Novelle herangezogen werden.
Drei unterschiedliche Arten von Modernisierungsmaßnahmen sind zu unterscheiden: Die Erhöhung des Gebrauchswertes und/oder Verbesserung der Wohnverhältnisse, die Einsparung von Energie oder Wasser und die Anpassung des Gemeinschaftseigentums an den Stand der Technik. Allen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie nachhaltig sein müssen, d.h. zu einer dauerhaften und erheblichen Verbesserung führen; Einsparungen an Energie oder Wasser müssen messbar sein, gleiches gilt sinngemäß für den Schallschutz.
Eine Gebrauchs- oder Wohnwerterhöhung liegt vor, wenn die gemeinschafts-ordnungskonforme Nutzung[2] bei objektiver Betrachtung bequemer, angenehmer, sicherer oder gesünder wird. Nach dem Bundesgerichtshof kann dies bereits gegeben sein, wenn ein heute allgemein üblicher Ausstattungsstandard hergestellt werden soll und die Neuerung aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers sinnvoll ist; wobei die reiche Kasuistik des Mietrechts herangezogen werden kann, jedenfalls soweit die Maßnahme das Gemeinschaftseigentum betrifft. Hierher gehören z.B. die Verbesserung der Energie- oder Wasserversorgung oder der Entwässerung, z.B. in Form der Vergrößerung der Leitungsquerschnitte der Steigleitungen, so dass gleichzeitiges Duschen und Spülen oder der Betrieb mehrerer elektrischer Haushaltsgeräte gleichzeitig möglich ist, der Austausch von Holzfenstern gegen Isolierfenster oder fest verlegte trittschallhemmende Bodenbeläge im Treppenhaus, die Verbesserung der Sicherheit durch den Einbau von Sicherheitshaus- und Wohnungstüren, Anbau von Aufzügen oder Balkonen, der erstmalige Einbau von zentralen Heizungs- und/oder Warmwasseranlagen, Schornsteinzüge für den Einbau eines Kamin(-ofens), Einbau von Türsprechanlagen, sowie Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs, die Anlage von Ruhezonen im Garten, Kinderspiel- und Fahrradabstellplätzen, die Aufwertung von Grünanlagen, sowie Maßnahmen zur Hausmüllreduzierung. Selbst das Ersetzen eines Flachdachs durch ein Walmdach, oder die Anbringung eines Vordachs wurden von der Rechtsprechung als Modernisierung anerkannt. Als Modernisierung dürften auch von der Gemeinschaft beschlossene Maßnahmen im Interesse der Barrierefreiheit gehbehinderter Eigentümer gelten, wie z.B. Treppenlifte oder Rollstuhlrampen.
Bei dem Merkmal der Einsparungen Energie kommen nicht nur Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie in Betracht, sondern auch von elektrischer Energie, so dass die Umrüstung der Treppenhaus- und Umfeldbeleuchtung auf Energiesparlampen sowie der Einbau von Zeitschaltuhren hierunter fällt. Maßnahmen zur Wassereinsparung werden dagegen im Bereich des Gemeinschaftseigentums nur durch eine Verbrauchserfassung und die Verwendung von Regen- oder Grundwasser zur Gartenbewässerung realistisch sein.[3] Der Focus in diesem Bereich liegt jedoch auf der Einsparung von Heizernergie, z.B. Dämmmaßnahmen, der Einbau von Isolierfenstern oder die Isolierung von Fassaden, Dächern, Kellerdecken und Heizungsrohren. Zurückhaltender ist der Wechsel des Energieträgers zu bewerten, da dies im Allgemeinen keine Energieeinsparung bewirkt. Andererseits kann der Anschluss an ein Fernwärmenetz, das aus einer Kraft-Wärme-Kopplung gespeist wird, eine Energieeinsparung bewirken.
Auch die Anpassung der gemeinschaftlichen Anlagen und Bauteile an den erprobten Stand der Technik kann eine Modernisierung darstellen. Da hierbei zumeist eine Verbesserungs- oder Einsparmaßnahme im Sinne der beiden vorangegangenen Absätze beabsichtigt ist, dürfte für eine eigenständige Anwendung dieses Merkmals kaum Raum bleiben.
Obwohl aus dem Regel-Ausnahme-Charakter der Absätze 1 bis 3 des § 22 zunächst von Teilen der Rechtsprechung gefolgert wurde, dass der Modernisierungsbegriff eng auszulegen sei, muss dies seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2011 anders bewertet werden: Es sei eine großzügige Handhabung des Modernisierungsbegriffs geboten.[4] Insoweit wird mit dem Bundesgerichtshof davon auszugehen sein, dass jede Maßnahme, die objektiv betrachtet sinnvoll ist und/oder zu einer Verkehrswerterhöhung führt,[5] eine im Rahmen des § 22 Abs. 2 bzw. 3 zulässige Modernisierungsmaßnahme darstellt, die von der Eigentümerversammlung beschlossen werden kann. Daher werden als Modernisierung auch solche Maßnahmen zu gelten haben, die zu einer Energiekostenersparnis ohne Verringerung des Energieverbrauchs führen.[6] Die Grenze findet der Modernisierungsbegriff des Wohnungseigentumsgesetzes dort, wo nach objektiven Maßstäben keine Verbesserung festzustellen ist und nur eine andere Nutzungsqualität geschaffen wird, die allein von subjektiven Vorlieben abhängig ist.[7]
Wenn eine bauliche Veränderung eine Modernisierende Instandsetzung oder eine Modernisierung darstellt, bedeutet dies nicht, dass ein solcher Beschluss auf eine Anfechtungsklage eines durch die Maßnahme beeinträchtigten Eigentümers nicht vom Gericht aufgehoben werden kann. Der Beschluss, der ggf. mit dem notwendigen Quorum des § 22 Abs.2 WEG beschlossen sein muss, hat dann immer noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung zu entsprechen, darf das Erscheinungsbild des Hauses nicht erheblich verändern und auch keinen Eigentümer unbillig benachteiligen. Auf diese Gegenargumente des beeinträchtigten Eigentümers wird in einem der nächsten Blogs eingegangen werden.
Wird aber ein Beschluss, der eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand hat, verkündet und nicht angefochten, so ist er grundsätzlich wirksam und kann umgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die besonderen Voraussetzungen von § 22 Abs.2 oder Abs.3 WEG nicht vorliegen. Die Baumaßnahme hätte dann zwar gemäß § 22 Abs.1 WEG der Zustimmung der betroffenen Eigentümer bedurft, jedoch ersetzt der rechtswirksame Beschluss die fehlende Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer.[8]
[1] Vergl. BT-Drucks. 16/887, 29f, wonach die Anforderungen an einen Modernisierungsbeschluss nicht
höher sind als an einen Beschluss zur modernisierenden Instandsetzung;
Timme in Munzig/Timme/Elzer, WEG, §22 Rn 265; im Ergebnis Vandenhouten, a.a.O.,§ 22, Rn 160.
[2] Merle in Bärmann, 11. Aufl., § 22, Rn 331; Vandenhouten, a.a.O.§ 22,Rn 161.
[3] Merle, wie vor, nicht jedoch der Einbau von Durchlaufbegrenzern, da Eingriff in das SE.
[4] BGH v. 18.2.2011, V ZR 82/10.
[5] BT-Drucks. 16/887, 30; Bereits in seiner Entscheidung vom … stellte das BayObLG (Az: 2 Z BR 176/03, ZMR 2004, 442) für die Zulässigkeit einer Modernisierenden Instandsetzung auf einen drohenden Verkehrswertverlust ab.
[6] OLG Hamburg v. 21.7.2005, Az:2 Wx 18/04, ZMR 2005, 803 (Fernwärme);
LG Nürnberg-Fürth v.28.7.2010, Az: 14 S 438/10 WEG, ZWE 2010, 466;
Bub, ZWE 2008, 205, 208 (Solaranlage).
[7] Wintergarten durch Verglasung d. Balkons: AG Konstanz v.13.3.2008,12C17/07,ZMR 2008, 494.
[8] OLG Düsseldorf v.2.11.2004, Az: I-3 Wx 234/04, ZMR 2005, 143; Bärmann, a.a.O., § 22, Rn 139.
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